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Franz-Josef Arlinghaus

 

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February 2004

Zwischen Januar 2001 und Dezember 2004 lief das an der Universität Kassel angesiedelte DFG-Projekt mit dem Titel „Die Entwicklung des Gerichtsverfahrens in der spätmittelalterlichen Stadt. Lübeck, Köln und Konstanz im Vergleich“. Leiterin: Ingrid Baumgärtner, Mitarbeiter: Franz-Josef Arlinghaus. Ansatz und Thesen werden hier zusammenfassen dargestellt. Das Projekt regte zu einer Tagung an, die zusammen mit Vincenzo Colli, Susanne Lepsius und Thomas Wetzstein am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte durchgeführt wurde. Aus dem Projekt ist eine Habilitationsschrift hervorgegangen.

Franz-Josef Arlinghaus

Genossenschaft und Gericht.

Zur Funktion der Rechtssprechung in der hoch‑ und spätmittelalterlichen Stadt, vornehmlich in Köln (1150-1550)

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Abstract

In der Arbeit wird erstens davon ausgegangen, dass das Recht der Vormoderne nicht als autonomes System innerhalb der Gesamtgesellschaft ausgeformt war, sondern die Gerichte in der mittelalterlichen Stadt einen integralen Teil der kommunalen Genossenschaft(en) bildeten (der Zunft, des Viertels, aber auch der Stadt insgesamt). Mit dieser Zuordnung des Gerichts zum Personenverband geht es dann darum, nach der Funktion zu fragen, die das Gericht als Element des Verbandes erfüllte. Zweitens wird davon ausgegangen, dass die (genossenschaftliche) Form der mittelalterlichen Vergesellschaftung die Person als Ganzes einschloss und nicht – wie heute – lediglich über Rollen realisiert wird.

Aus diesen beiden Aspekten wird abgeleitet, dass ein Konflikt immer zugleich das Verhältnis der beiden Streitenden zur Genossenschaft tangierte. Die Grundthese der Arbeit lautet, dass jeder Streit letztlich die Mitgliedschaft der Konfliktparteien im Verband in Frage stellte. Die Funktion des Gerichts war es dann, ein Forum darzustellen, auf dem über die aus dem Konflikt an sich resultierenden Zweifel an Zugehörigkeit verhandelt wurde.

Wenn das städtische Gericht als integrativer Teil des Personenverbandes betrachtet werden muss und ‚Mitgliedschaft’, wie postuliert, das eigentliche Thema der Rechtssprechung darstellte, dann muss sich dies am Prozessgeschehen ablesen lassen. Anhand einer genauen Analyse des Verfahrensablaufs wird der Frage nachgegangen, ob und inwieweit sich dies im Gerichtsverfahren selbst niederschlägt. Der Akzent wird dabei auf Verfahren um Eigen, Erbe und Schuld gelegt. Dies vor allem aus pragmatischen Gründen, denn solche Verfahren sind über einen langen Zeitraum hinweg besser dokumentiert. So kann zugleich auch der erhebliche Wandel in der Prozessgestaltung, der zwischen dem 12. und frühen 16. Jahrhundert zu beobachten ist, nachgezeichnet werden.

Mit der Betrachtung des Gerichts als Ort, an dem über gefährdete Zugehörigkeit verhandelt wurde, ist zugleich eine spezifische Historisierung des Gerichtswesens unternommen. Statt eine zeitliche Verortung über die Frage nach dem Grad der Rationalisierung des Verfahrens vorzunehmen, was zumeist darin mündet, dass mittelalterliche Gerichtswesen lediglich als defizitäre Vorstufe des heutigen Prozesses zu betrachten, wird die Untersuchung der Funktion des Gerichts für die stratifikatorisch-segmentäre Gesellschaft, für die genossenschaftlichen Personenverbände der mittelalterlichen Stadtgesellschaft ins Zentrum gerückt (kritisch zum Rationalitätskonzept schon Nehlsen-von Stryk 2000, S. 37f.). Eine Analyse, die sich auf die Aufgaben des Gerichts im Rahmen der Strukturen spezifisch mittelalterlicher Vergesellschaftungsformen konzentriert, kann die für die Gesellschaft der damaligen Zeit spezifische Rationalität und Leistungsfähigkeit des Verfahrens aufdecken.

Die These, dass das Gericht der Ort ist, an dem die aus dem Konflikt an sich resultierenden Zweifel an der Mitgliedschaft im genossenschaftlichen Verband verhandelt wurden, gewinnt ihr heuristisches Potential insbesondere dort, wo die spezifischen Funktionen bestimmter Verfahrensformen für die Gesellschaft und den Verband identifiziert werden können, die sonst meist mit sehr allgemeinen Hinweisen auf Mentalitäten oder religiösen Einstellungen erklärt werden. Dabei blendet die Grundthese, dass die kommunalen Gerichte mit der Unterscheidung ‚Zugehörigkeit / Nicht-Zugehörigkeit’ operieren, die dynamischen Veränderungen im Prozesswesen gegen Ende des Untersuchungszeitraumes keineswegs aus. Im Gegenteil tritt gerade hier deutlich hervor, wie die Beibehaltung der Unterscheidung bei gesteigerter Komplexität eine Spannung erzeugt, die dann neue – weiterhin integrierbare – Verfahrensformen entstehen lässt.

 

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