Habilitation: Vorträge
/ Aktuelles Kontakt: November 27, 2003 |
Franz-J.
Arlinghaus, Marcus Ostermann, Oliver Plessow, Gudrun Tscherpel: Zur Einführung: Bewegung im Medium. Aspekte hoch- und
spätmittelalterlicher Schriftlichkeit und neue Medien |
(Zahlen in [rot] = Seitennummerierung) Download Konzept: .rtf-Format / .pdf-Format Konzeption1:
'Mouvance' mittelalterlicher Manuskriptkultur und neue Medien Konzeption
2: Die Struktur der CD-ROM Anhang 1: Multimedia-Beiträge Anhang 2: Aufsätze Die CD-ROM 'Schrift im Wandel – Wandel durch
Schrift' will die Arbeiten des Münsteraner Sonderforschungsbereichs 231 'Träger,
Felder und Formen pragmatischer Schriftlichkeit im Mittelalter' an
ausgewählten Beispielen multimedial zugänglich machen. Das hierfür
entwickelte Konzept nutzt die Möglichkeiten des Mediums für eine innovative
Präsentation der Ergebnisse geisteswissenschaftlicher Forschung. Die
Verknüpfung von Lesetext, Bild, Sprechtext sowie animierten Bildsequenzen
macht es möglich, in ganz anderer Weise als bisher üblich komplexe
Forschungsergebnisse in konzentrierter und pointierter Form darzustellen. Seit dem 11. Jahrhundert werden
unterschiedliche Texte zu einem neuen, zunehmend wichtigeren Bezugspunkt in
der alltäglichen Kommunikation. Ursachen und Folgen dieser ersten
europäischen Medienrevolution werden auf der CD-ROM an exemplarischen
Beispielen erörtert. Dabei gilt es, die von der Forschung postulierte
Unfestigkeit und Offenheit der Texte mittelalterlicher Manuskriptkultur
('mouvance') unter Mobilisierung der Möglichkeiten des neuen Mediums
aufzuzeigen und zu interpretieren. Angesprochen werden Fachwissenschaftler, Studierende sowie
interessierte Laien, für die mit dem Leitbegriff 'Medienwandel' eine Brücke von der aktuellen
Mediendiskussion der Gegenwart zu den untersuchten Phänomenen des 11. bis 15.
Jahrhunderts geschlagen wird. In elf Beiträgen aus den Fachgebieten
Theologie, Mittellateinische Philologie, Geschichtswissenschaft,
Kunstgeschichte und Germanistik können sich die Nutzer über Themen wie
Buchmalerei, Weltchroniken oder die ersten gedruckten Einladungen zu
Schützenfesten informieren. Neben den multimedial konzipierten Beiträgen wird
zudem eine Anthologie wichtiger Aufsätze des SFB zur Verfügung gestellt, die
als weiterführende Lektüre die Multimediabeiträge ergänzen und z.T. direkt
mit diesen in Verbindung stehen. Die CD enthält ferner eine Gesamtbibliographie
aller im Rahmen des SFB entstandenen Arbeiten. Sämtliche Texte sind
ausdruckbar und können über eine Suchfunktion erschlossen werden. Konzeption 1:'Mouvance' mittelalterlicher Manuskriptkultur und neue MedienIm deutschsprachigen Raum ist bereits seit den 1970er Jahren
verschiedentlich auf die Überlieferungsvarianz mittelalterlicher Texte
hingewiesen worden. Namentlich die so genannte 'Überlieferungsgeschichte' hat autorzentrierten
Herangehensweisen eine Berücksichtigung der unterschiedlichen Stufen von
Texten zur Seite gestellt, wie sie im Mittelalter tatsächlich auch gelesen
und kopiert wurden.[1]
Im Rahmen neuerer Theoriediskussionen, die gemeinhin [2]
unter dem Begriff 'New
Philology'
subsumiert werden, geht man noch einen Schritt weiter und erklärt die
Offenheit und Veränderlichkeit mittelalterlicher Schrifttexte zu dem
zentralen Charakteristikum der Manuskriptkultur überhaupt[2]. Der
Ansatz weist eindringlich darauf hin, dass die Konzeption eines autorisierten
'Urtextes', die Vorstellung eines 'Originals', das möglichst unverändert
bewahrt werden muss, dem mittelalterlichen Schriftgebrauch weitgehend fremd
war. So werden Texte jetzt weniger als Ausdruck einer in einem einmaligen Akt
realisierten, dann festgezurrten Autorintention betrachtet, die womöglich
durch 'schlechte' Kopisten verfälscht wurde und
erst durch den Einsatz von Editionstechniken wieder herauspräpariert werden
muss[3].
Vielmehr nimmt man die Texte in ihrer vorliegenden Fassung ernst und begreift
sie als "Manifestationen
historisch spezifischer, also in situative Handlungskontexte eingelassener
Kommunikationen"[4].
Gefragt wird also weniger nach der Intention oder Absicht, sondern nach dem
kommunikativen Zusammenhang, und in dieser Perspektivierung gewinnen
Veränderungen am und im Text eine neue und andere Bedeutung. Eine
solche Betrachtungsweise mittelalterlicher Texte ist für historische
Forschungsanliegen von besonderem Interesse, die nach den Ursachen und Folgen
der seit dem 11./12. Jahrhundert beobachtbaren zunehmenden Verwendung von
Schrift in allen Lebensbereichen fragen. Denn es geht letztlich nicht darum,
eine schon durch die Überlieferung evidente quantitative Veränderung
nachzuzeichnen, und es sei davor gewarnt, der Schrift vorschnell bloßen
Werkzeugcharakter zuzuweisen oder in ihr umgekehrt den Katalysator für
gesellschaftliche (Rationalisierungs‑) Prozesse zu sehen. Vielmehr geht
es um die differenzierte, qualitative Analyse von Phänomenen, die sich aus der
Dynamik eines sich ändernden Schriftgebrauchs in einer sich wandelnden
Gesellschaft ergeben[5]. Dabei
ist die im Vergleich zur Gegenwart völlig andere historische Situierung
dieses Medienwandels zu fokussieren[6]. [3] Die historische Forschung ist bei der Untersuchung
dieses dynamischen Prozesses selbstredend auf die Analyse der überlieferten
Texte angewiesen. Die an ihnen beobachtbaren Veränderungen ernst zu nehmen,
wie es von der 'New
Philology'
eingefordert wird, erweist sich in diesem Kontext als zentral. Denn gerade
weil bei jedem Kopieren nicht Werktreue, sondern 'Aktualisierung' des Textes für den jeweiligen
Gebrauch wahrscheinlich ist, kann eine veränderte Situierung des Textes,
seine je neue Position im kommunikativen Zusammenhang, auf der Basis der Manuskriptanalyse
aufgedeckt werden[7]. Diese
als 'mouvance' bezeichneten Variationen[8], im
Kontext der 'New
Philology' meist
auf literarische Texte bezogen, kommen gerade in Statutensammlungen und
Urkunden, Chroniken und Rechnungsbüchern nicht nur besonders häufig vor,
sondern liegen oft in der Natur der Schriftgattung selbst. Bewegungen
im Text als Gegenstand der Analyse, das meint hier z.B. die in der Abschrift
anders gestaltete Seite bei sonst gleichem Wortlaut, die Umgruppierung von
Einträgen, sei es in Chroniken oder Rechnungsbüchern, die Fokussierung auf
Randnotate und Marginalien, die quasi als 'Metatexte' Auskunft über die situative
Verortung des Textes liefern, wie bei Notariatsurkunden und Schulbüchern, und
vieles mehr. Diese Bewegungen nicht gleich als Niederschlag einer anderen
Intention oder einer neuen Mentalität zu interpretieren – das mögen sie
ebenfalls sein –, sondern zunächst einmal auf der Textebene anzusetzen
und von hier aus eine Situierung des Textes in der Kommunikation vorzunehmen,
letztlich die Kommunikationssituation insgesamt zu konturieren, ist der Kern
des neuen Ansatzes. Auf dieser Analyse aufbauend können dann weitere
Folgerungen für die Form und die Funktion der Verschriftlichung in der
jeweiligen Zeit und Gesellschaft gezogen werden. Es ist
naheliegend, diese Textveränderungen mittels der neuen Speichermedien
aufzuzeigen. Denn der große Vorteil einer CD-ROM ist es, Bewegung in
eindringlicher Weise visualisieren zu können. Einmal digitalisiert, lassen
sich die Buchseite oder die Urkunde 'zerschneiden', lässt sich die Schrift auf dem
'Pergament' verschieben, können Einträge
von Buch zu Buch 'wandern' und sich auf der Seite neu
anordnen, und auch dieser Text erweist sich beim nächsten Klick als unfest, wird
Gegenstand weiterer Umformungen. Ein Weiteres tritt hinzu: Die Bildschirmseite visualisiert, wie eine
Handschrift durch Umbau und Hinzufügungen aus einer anderen entsteht, wie
Texte Texte generieren. Ermöglicht wird so die Umsetzung eines Konzepts, welches
die Entstehungsbedingungen eines Textes nicht unmittelbar beim Autor
ansiedeln will, sondern Texte primär als Teil einer historisch bedingten
Kultur der Schriftlichkeit betrachtet. Auf der CD wird die Schrift zum [4] Akteur, und erst die kommentierende Erläuterung
bringt den Schreiber ins Spiel, weist ihm eine Rolle zu[9]. Die multimediale Aufbereitung von Forschungsergebnissen entfaltet so
ein Potential, das über die Buchedition hinausgeht, die mittels
Anmerkungsapparat Varianten vorzustellen sucht. Denn allein das 'Transponieren' des Manuskripttextes in das
gedruckte Buch lässt dessen Andersartigkeit verschwinden, löst ihn aus der
Manuskriptkultur heraus[10]. Auch
erläuternde Ausführungen können dem kaum entgegenwirken, da sie sich dem
Prozesshaften, der Bewegung im Text, nur beschreibend annähern können. Die
Beigabe von Abbildungen dürfte das Problem eher verstärken denn einen Ausweg
bieten. Im Buch können bestenfalls Fotos verschiedener Varianten eines
Manuskripts nebeneinander 'gestellt' werden, was aber das eigentlich
Aufzuzeigende – eben die Veränderlichkeit, das Unfeste – eher
konterkariert als verdeutlicht. Denn entscheidend ist, dass die fotografische
Reproduktion der Manuskriptseiten, dass die abgelichteten Texte zwar als
Varianten vorgestellt werden, aber selbst wieder als je feste Seiten und
Texte in Erscheinung treten. Die fotografische Abbildung arbeitet also der
möglicherweise in der Erläuterung gegebenen Beschreibung, die das Unfeste des
Gezeigten herausstellt, unterschwellig entgegen, und das eigentliche Ziel, 'mouvance' aufzuzeigen, wird hintertrieben[11]. Natürlich vermag auch eine multimediale Präparierung dem Text nicht
wieder ein Stück Manuskriptkultur 'einzuhauchen'; das ist auch gar nicht
beabsichtigt. Sie vermag aber sehr wohl einen anderen Zugang zum Manuskript
zu eröffnen, der sich dadurch auszeichnet, dass nicht schon die
Darstellungsweise das eigentlich Auszudrückende konterkariert. Dies liegt
einmal daran, dass, wie erläutert, auf einer CD-ROM Handschriften bewegt
werden, tatsächlich als unfest vorgestellt werden können. Mindestens ebenso
wichtig ist aber, dass das Manuskript – ob als Abbildung oder
Transkription – nun im Kontext eines Mediums erscheint, welchem in
unserer Kultur – im Gegensatz zum Buch, aber auch zum Film – die
Attribute Flexibilität, fortwährende, rasche Veränderbarkeit, letztlich
Instabilität, zugewiesen werden[12]. Wohl
erst in einer solchen medialen Umgebung kann über die Darstellung von
Bewegung das eigentlich Gemeinte vermittelt werden. [6] Die Andersartigkeit mittelalterlicher Texte bei der Arbeit
mit Handschriften ständig präsent und abrufbereit zu halten, sie zum
Bestandteil der eigenen Vorstellungswelt zu machen, ist auch für den
Fachwissenschaftler nicht einfach, schiebt sich doch immer wieder das (durch
die Gegenwart geprägte) Alltagsverständnis von der Schrift als etwas Festem
in den Vordergrund. Nicht allein um die Vermittlung eines Konzepts geht es
daher und nicht allein um das Darstellungsvermögen einer CD-ROM. Ziel ist
vielmehr die Sedimentierung einer neuen Auffassung vom mittelalterlichen Text
in Forschung und Lehre[13]. Konzeption 2:Die Struktur der CD-ROMIn der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wurde die Ausbreitung der neuen
Medien von einer intensiven Debatte begleitet, die in der Rückschau vor allem
durch Übertreibungen von Befürwortern wie Skeptikern gekennzeichnet scheint.
Äpfel wird man auch künftig kaum im Internet bestellen, Bankgeschäfte aber
werden immer öfter vom heimischen PC aus erledigt; die Tageszeitung liegt
weiter auf dem Frühstückstisch im Weg, die Online-Rezension des Fachbuchs
liest man aber durchaus am Bildschirm. Normalität ist eingekehrt, und die
Abwesenheit von Aufgeregtheit hat einer ernsten Diskussion um die veränderten
Bedingungen der Textproduktion und ‑rezeption im Kontext neuer Medien
nur gut getan. Ob und inwieweit Nutzer neuer Medien die im Text eingestreuten Links
dazu nutzen, 'sich
eigene Texte zusammen zu stellen', wie
vielfach vermutet, kann hier offen gelassen werden. Sicher ist, dass
angebotene Auswahlmenüs und Buttons dazu anhalten, die Rezeption eines Textes
zu unterbrechen und zu einem anderen zu springen[14]. Damit
ist ein gravierender Unterschied zum Umgang etwa mit Aufsätzen in einem
Sammelband benannt, wo ein ähnliches Verhalten zwar auch, aber doch weit
seltener vorkommt und vor allem: nicht im Medium selbst angelegt ist.
Ausgehend von diesem den neuen Medien eigenen Rezeptionsmodus galt es, der
vorliegenden CD-ROM eine Struktur zu geben, mit der einerseits das positive
Potential dieser Rezeptionsweise für eine verdichtete Präsentation der [6] Forschungsergebnisse mobilisiert und
andererseits der Gefahr begegnet wird, dass wichtige Aussagen zum Thema durch
ein Überangebot von Links nicht mehr wahrgenommen werden. Daraus leiteten
sich zwei Forderungen ab: Erstens muss jeder
Multimediabeitrag in Sinnabschnitte unterteilt sein, die stärker als im Buch
aus sich selbst heraus verständlich sind und eine weitgehend eigenständige
Aussage enthalten, weil ja mit einem 'Mitten-Hineinspringen' in den Beitrag
zu rechnen ist[15]. Daran gewöhnt, über Seiten
einen Gedankengang langsam zu entfalten, mag der geistes‑ bzw.
kulturwissenschaftlich arbeitende Autor diesem Ansatz mit – durchaus
berechtigter – Skepsis begegnen, könnte doch geforderte Segmentierung
der Vermittlung eines komplexen Gedankens als hinderlich erscheinen. Jedoch:
Richtet man den Fokus nicht auf den Einzelbeitrag, sondern auf die CD-ROM als
geschlossenes Werk, in das sich der Beitrag oder Teile des Beitrags so
einfügen sollten, dass ein wie auch immer angelegter 'Leseweg' Sinn macht,
dann lassen sich die den Autoren auferlegten Vorgaben auch aus
klassisch-geisteswissenschaftlicher Perspektive legitimieren. Strukturelle
Parallelen zu Handbuch- oder Lexikonartikeln tauchen hier auf, nur eben mit
dem Unterschied, dass auch innerhalb eines Beitrags geschlossenere Einheiten
zu bilden waren. Zweitens galt es, dem
Nutzer dort Auswahlmöglichkeiten verstärkt anzubieten, wo dies im Sinne eines
Informationsgewinns zum Thema 'Schriftlichkeit im Mittelalter' sinnvoll
erscheint. Dort aber, wo ein Verlassen des Beitrags für das Verständnis
kontraproduktiv wäre, wurden Wahlmöglichkeiten bewusst reduziert. Im Kern geht es also darum, die
im Medium angelegte Überbetonung des Wählen- und Wechseln-Könnens so zu
kanalisieren und zu strukturieren, dass ein qualitativer Informationsgewinn
erzielt wird. Letztlich setzt die Offenheit des Mediums auf der
Seite des Rezipienten ('Querklicken') ein größeres Maß an
strukturierter Aufbereitung und Darbietung der Informationen auf Seiten der
Produzenten voraus. Konkret war
die Strukturgebung so zu konzipieren, dass sie einerseits dem Autor
weitestgehende Freiheit bei der Gestaltung seines Themas garantierte,
andererseits aber dem Nutzer schon über die eingerichteten
Zugangsmöglichkeiten eine inhaltliche Orientierung gegeben wird. Jeder Beitrag, so eine erste
Festlegung, sollte deshalb von einer ausführlichen Einführung und einer
kurzen Zusammenfassung gerahmt werden. Abgestimmt auf das Thema
'Schriftlichkeit im Mittelalter' war zudem der Hauptteil jedes Multimedia-Beitrags
in die vier Segmente 'Produktion', 'Rezeption', 'Form' und 'Technik' zu
gliedern. Diese – zusammen mit 'Einführung' und 'Abstract' –
insgesamt sechs 'Oberkapitel' stellen ein Strukturgitter dar, mit dem die
Aufbereitung der Einzelbeiträge eine gewisse Homogenisierung erfährt –
so dass ein sinnhaftes 'Querklicken' zwischen den Segmenten verschiedener
Beiträge möglich wird. Die Gliederung findet sich daher nicht nur auf der
Übersichtseite zu Beginn jedes Beitrags, sondern wird auch als Auswahlmenü in
der Steuerleiste auf jedem Screen wieder aufgegriffen. Dass die selbst im
Vergleich zum Handbuch oder Lexikon weit gehenden Vorgaben in keiner Weise zu
einer Uniformierung führen, liegt schon in der Abstraktheit der gewählten
Segmentierung begründet, die sich wiederum aus der Heterogenität der
versammelten Themen ableitet. Denn für solch unterschiedliche
Forschungsgebiete wie Gebetbücher oder [7] Notarsurkunden, Weltchroniken oder
Buchmalereien lassen sich nur dann Gemeinsamkeiten finden, wenn man ihre jeweiligen
Besonderheiten unberücksichtigt lässt und sie konsequent unter dem
übergeordneten Gesichtspunkt 'Verschriftlichung' perspektiviert. Dies
wiederum öffnet genügend Raum für eine dem Einzelthema angemessene
Ausgestaltung der vorgeschlagenen 'Oberkapitel'. Die für die Bezeichnung der
Segmente gefundenen Begriffe sind zwar in gewisser Weise 'sprechend', so dass
sich auch der Nichtfachmann etwas darunter vorstellen kann. Dennoch muss an
dieser Stelle ausführlicher auf sie eingegangen werden, weil die ihnen
zugrunde liegende Konzeption weitaus komplexer ist, als es zunächst den
Anschein hat: 'Einführung': Die 'Einführung'
leitet mit Hilfe eines gesprochenen Textes, der die gezeigten Abbildungen
erläuternd interpretiert, den Beitrag ein und führt zur Problemstellung hin.
Dieses Segment bildet eine wichtige Grundlage für das Verständnis des
Einzelthemas. 'Produktion': Eingegangen wird
hier auf die Träger der Schriftlichkeit wie auf die Umstände des
Produktionsprozesses. Dabei wird die Frage nach Schreiber, Kompilator,
Auftraggeber, Autor und institutionellem Kontext ebenso in den Blick genommen
wie Produktionsabläufe, Quellennutzung und Formen der Vervielfältigung. 'Rezeption': Nutzung und
Gebrauch stehen im Mittelpunkt dieses Segments. Gefragt wird nach den
intendierten Adressaten eines Schriftstückes und seinen tatsächlichen Lesern,
aber auch, welche Institutionen oder Gremien sich des Textes bedient haben.
Behandelt werden kann weiter, ob laut oder leise gelesen wurde, wie das
Verlesen inszeniert wurde und ob es Umnutzungen des Textes gab. 'Form': Unter 'Form' wird
stärker auf die Struktur der Texte, den Aufbau der Seite / des Buches und die
Vernetzung mit und Bezugnahme auf andere Texte eingegangen. Formen der
Texterschließung können in diesem 'Oberkapitel' ebenso thematisiert werden
wie Veränderungen, die sich durch Kopieren oder Vervielfältigen der Texte
ergeben. 'Technik': Unter diesem Punkt
werden vornehmlich die materiellen und handwerklichen Grundlagen für die
Textherstellung in den Blick genommen (Pergament, Papier, Tinte, Feder,
Druckherstellung, Einband usw.). Je nach Schwerpunktsetzung bietet es sich
hier an, auch auf die Ergebnisse der hilfswissenschaftlichen Forschung
einzugehen. 'Abstract': In dem
abschließenden 'Abstract' werden die wichtigsten Ergebnisse noch einmal
zusammenfassend dargestellt. Eine Auswahlbibliographie eröffnet die
Möglichkeit, die angesprochene Problemstellung zu vertiefen. Die
inhaltlichen Bestimmungen der einzelnen Oberkapitel lassen erkennen, dass
durchaus die Möglichkeit besteht, einen Aspekt an unterschiedlichen Stellen
zu platzieren. So lassen sich etwa Fragen zum Beschreibstoff sowohl unter 'Technik' wie unter 'Produktion' erläutern, und die Gestaltung
einer Seite könnte unter allen vier zentralen Segmenten thematisiert werden.
Dies ist nicht etwa das in Kauf zu nehmende Manko einer abstrakten
Klassifizierung; vielmehr ist die flexible Zuordnung von Einzelaspekten
durchaus beabsichtigt. Denn es geht bei der Strukturierung nicht um die feste
Zuweisung konkreter Phänomene zu einzelnen Oberkapiteln, sondern um die
Perspektive, unter der der einzelne Beitrag ein solches Phänomen ausleuchtet.
Ein Beispiel: Das Phänomen 'Abschreiben' wird in dem Beitrag 'Buchgemeinschaften' der 'Produktion' zugeordnet, weil es hier als
fast handwerkliche Tätigkeit der Kopisten vorgestellt wird. Im Beitrag 'Rechnungsbücher' wird es unter 'Form' abgehandelt, weil es hier um
die Umstrukturierung der Seite und des Buches geht und weniger um die Arbeit
der Schreiber. [8] Diese Struktur
– die Gliederung der Beiträge in sechs Segmente – erlaubt es
dann, dem Nutzer gezielt bestimmte Rezeptionswege anzubieten. So fehlt den
Einführungen das sonst immer vorhandene Auswahlmenü auf der Bildschirmseite,
um zu signalisieren, dass dieses Segment sinnvoller Weise ohne Unterbrechung
durchzugehen ist (selbstverständlich kann es über den 'Zurück'-Button immer
verlassen werden). In den übrigen fünf Segmenten gestattet der in der
Menüleiste integrierte Pfeil ein einfaches Weiterblättern; ist jedoch das
Ende eines 'Oberkapitels' erreicht, steht der Pfeil nicht mehr zur Verfügung.
Das nächste Segment ist nicht durch einfaches Weiterklicken erreichbar,
sondern muss über das Auswahlmenü angesteuert werden. Ein Beispiel: Ist der
Nutzer im Beitrag 'Weltchroniken' am Ende des Segments 'Produktion'
angelangt, verschwindet der Pfeil, mit dem er zuvor durch dieses
'Oberkapitel' geblättert hat. Um zum nächsten Segment 'Rezeption' zu
gelangen, muss er nun über die Menüleiste und über den Button 'Rezeption'
erneut 'Weltchroniken' auswählen. So wird der Rezipient dort, wo es
sinnvoll ist – nämlich am Ende des Segments ‑, angehalten, sich
entweder für ein Weiterarbeiten durch denselben Beitrag zu entscheiden. Oder
aber er folgt dem zweiten, durch die Gesamtstruktur der CD-ROM vorgegebenen
'Leseweg' und rezipiert nicht verschiedene Beiträge nacheinander, sondern
einzelne Segmente verschiedener Beiträge. Es ist beispielsweise denkbar, nach
dem Segment 'Form' des Beitrags 'Schulbücher' das gleiche Segment im Beitrag
'Enzyklopädien' anzusteuern, um das Typische der beiden Gattungen direkt
miteinander zu vergleichen. Schon aufgrund der oben erläuterten
Gliederungskriterien, die die Zuordnung eines bestimmten Phänomens zu einem
'Oberkapitel' letztlich nicht von seinem 'objektiven' Gehalt, sondern von
dessen Perspektivierung abhängig machen, ist es indes nicht nur sinnvoll,
gleiche Segmente verschiedener Beiträge anzusteuern. Ebenso aufschlussreich
ist es, verschiedene Segmente unterschiedlicher Beiträge – etwa
'Rezeption' des Beitrags 'Buchgemeinschaften' und 'Form' des Beitrags
'Schulbücher' – nacheinander auszuwählen. Selbstredend ist es letztlich
das spezifische Interesse des Nutzers, aus dem sich die Reihenfolge der
durchgearbeiteten Segmente ergibt. Die Struktur der CD-ROM ermöglicht es,
sinnhafte individuelle Rezeptionswege zusammenzustellen, da zum einen die zur
Auswahl angebotenen Elemente geschlossene Sinneinheiten darstellen und zum
zweiten – bei aller Heterogenität der Inhalte – eine
Vergleichbarkeit der Segmente gewährleistet ist. Dass in der Reihenfolge von
angebotenen Informationen selbst wieder eine Informationsquelle zu sehen ist,
bedarf keiner weiteren Erläuterung. Zu hoffen ist daher, dass sich über die
individuellen Lesewege neue Perspektiven zum Themengebiet 'Schriftlichkeit im
Mittelalter' eröffnen, die vielleicht zu neuen Fragestellungen anregen. Die CD-ROM zielt nicht darauf ab,
einem elektronischen Handbuch gleich Überblickswissen abrufbereit zu machen.
Vielmehr stellen die Multimedia-Beiträge neuere Thesen zum Verschriftlichungsprozess
im Hoch- und Spätmittelalter vor. Eine rein darstellende, gleichmäßige
Darbietung des in einem Beitrag behandelten Themas über alle Segmente hinweg
wäre dem nicht angemessen. Es wurde daher vorgesehen, neben der bei allen
Einzelthemen durch Sprechtext und Animationen akzentuierten Einführung ein
weiteres Oberkapitel, das den Schwerpunkt des jeweiligen Beitrags
repräsentiert, in besonderer Weise multimedial auszugestalten (beispielsweise
wählte Oliver Plessow für seine 'Bistumsgeschichten' das Segment 'Form', bei
den 'Enzyklopädien' entschied sich Christel Meier für 'Produktion', Thomas
Lentes setzte seinen Schwerpunkt bei den 'Gebetbüchern' auf 'Rezeption').
Hier also besteht die Möglichkeit, die zentrale These des jeweiligen Beitrags
durch die Art der Aufbereitung herauszuheben und multimedial zu entfalten. [9] Die von den Beiträgern gewählten Schwerpunkt-Segmente
lassen – ähnlich wie die Einführung – besonders deutlich werden,
wie in einer Multimedia-Umgebung Forschungsergebnisse auf prägnante,
verdichtete Weise aufgezeigt und in neuartiger Form zur Diskussion gestellt
werden können. Da in diesen Segmenten Erläuterungen weitgehend dem Sprechtext
zugewiesen werden, steht die gesamte Bildschirmseite als Bühne zur
Inszenierung der Thesen zur Verfügung[16]. Das
Ziel einer solchen Inszenierung ist es nicht, einer Aussage mit lediglich
ästhetischen Mitteln mehr Überzeugungskraft zu verleihen (auch dieser 'Missbrauch' ist natürlich möglich)[17].
Richtig verstanden geht es darum, das Gemeinte eindringlicher darzustellen
und deutlicher zu konturieren, so dass Missverständnisse reduziert werden und
größere Klarheit gewonnen wird. Die Verfügung über Sprechtext und 'freien' Screen legte der Phantasie der
Beiträger kaum Zügel an, und die vielfältigen Darstellungsmöglichkeiten
nutzten sie, nicht immer zur Freude der Programmierer, weidlich aus: So
werden Manuskripte im Laufe der Anwendung gezoomt und bestimmte Textteile
hervorgehoben; Passagen einer Urkunde lösen sich aus der Seite und werden
dann mit anderen Manuskripten durch Bewegung in Beziehung gesetzt; Texte 'fließen' zusammen und generieren so neue
Texte[18]. Durch
die Einblendung von Ausschnitten aus Fresken und Gemälden werden
Kommunikationssituationen visualisiert, in die der Text möglicherweise
eingebettet war; durch das 'Ausleuchten' der Bilder werden ihre
Vielschichtigkeit sichtbar gemacht, mögliche Rezeptionsweisen visualisiert
und Bild und Schrift auf neue Weise miteinander in Beziehung gesetzt[19]. Die auf der CD-ROM umgesetzten Formen, Forschungsergebnisse
multimedial zu präsentieren, lassen bereits aufscheinen, dass es nicht
lediglich um ein 'Mehr' an Darstellungsmöglichkeiten
geht. Anders als der Aufsatz zentriert der Multimedia-Beitrag seine
Argumentation auf die visuelle Darstellung, auf die sich bewegenden
digitalisierten Manuskripte und Bilder, letztlich auf ein Agieren und das
Interagieren von Elementen auf dem Screen, das durch den Sprechtext eine
Interpretation erfährt[20].
Es geht hier keineswegs darum, die eine oder andere Form der Darbietung
– Aufsatz oder Multimedia-Beitrag – gegeneinander auszuspielen.
Vielmehr gilt es, sie als je eigene Möglichkeiten der Präsentation von
Forschung in ihrer jeweiligen Andersartigkeit und mit ihren spezifischen
Stärken ernst zu nehmen. Der besondere Reiz einer CD-ROM liegt sicherlich
darin, mit der ihr eigenen, anders strukturierten Argumentationsweise
Arbeitsergebnisse vorzustellen, und es ist damit zu rechnen, dass dadurch
nicht allein die Rezeption historischer Forschung – etwa durch die
mögliche Verdichtung und Pointierung des Gesagten – verändert wird:
Rückwirkungen auf [10] die Forschung selbst
sind, wenn auch noch schwer abzuschätzen, sicherlich zu erwarten. Denn der
Autor muss sich mit seinen vielleicht bereits in einer umfangreichen Arbeit
formulierten Thesen in einer ganz neuartiger Weise erneut auseinander setzen,
muss beispielsweise seine Argumente nicht mehr auf Transkriptionen in den
Anmerkungen stützen, sondern auf von ihm vorzunehmende Hervorhebungen in den
digitalisierten Originalen; er muss sich auf die Dynamik einlassen, die
Bild-Bild-Sprechtext-Relationen auslösen, und vieles mehr. Er muss sich, mit
einem Wort, seine Ergebnisse im Kontext der CD-ROM noch einmal anders 'vor Augen führen', und dabei werden nicht selten
so noch nicht wahrgenommene Implikationen der eigenen Arbeit entdeckt. Bei der
Einführung und den Schwerpunkt-Segmenten wurde fast ausschließlich auf eine
verdichtete Präsentation in Form einer animierten Ton-Bild Darstellung
gesetzt und bewusst auf interaktive Elemente verzichtet. Diese kommen um so
mehr in den übrigen 'Oberkapiteln' zur Anwendung, die zumeist ohne
Sprechtext auskommen. Die Seiten dieser Segmente weisen einen Lesetext auf,
der in der Regel nicht über den Screen hinausragt; eine Leseseite entspricht
also einer Bildschirmseite, ohne dass 'gescrollt' werden muss. Auf Links im Text
wurde aus den oben genannten Gründen[21]
weitgehend verzichtet. An vielen Stellen bilden diese Leseseiten den Ausgangspunkt für
Animationen und interaktive Anwendungen, in die sie inhaltlich einführen und
die deshalb nur von dieser 'vorgeschalteten' Bildschirmseite aus zu
erreichen sind. Hier werden beispielsweise Originalabbildung, Transkription
und Übersetzung von Urkunden nebeneinander gestellt, die der Nutzer Zeile für
Zeile mittels der 'Lupen-Funktion' vergleichen kann[22].
Interaktive Landkarten zeigen die Verbreitung bestimmter Handschriftentypen[23], und
natürlich geht es auch bei den durch Lesetext, Animation und Interaktivität
gekennzeichneten Segmenten immer wieder um Fragen von Veränderungen im Text
und die Beziehungen von Manuskripten zueinander[24]. Die Abstimmung des zu erwartenden Rezeptionsverhaltens mit den
Anforderungen des Themas 'Schriftlichkeit
im Mittelalter' und den
Wünschen der Autoren mündete in einer modularen Struktur der CD-ROM, die nun
weitere Erschließungsmöglichkeiten eröffnete, an die vor der Konzeptionierung
so nicht gedacht war. Entsprechend können alternativ zur 'Themenauswahl', die die Beiträge in
alphabetischer Reihenfolge aufführt, die Auswahlseiten 'Geographie' und 'Zeit' als Ausgangspunkte gewählt
werden, mit denen die Multimedia-Beiträge jeweils räumlich und zeitlich
verortet werden. Die Seite 'Thesenauswahl' präsentiert in knapper Form die
Kernaussage eines jeden Beitrags, die den Nutzer direkt zu der Stelle im
Beitrag führt, an der diese These entfaltet wird. Ganz überwiegend wird diese CD-ROM wohl am heimischen PC genutzt
werden. Die vielen Multimedia-Anwendungen mit und ohne Sprechtext und die
zahlreichen Manuskripte, die in Transkription und Übersetzung geboten werden,
lassen sich aber auch sehr gut per Beamer in einer Vorlesung oder einem
Seminar einsetzen. Nicht zuletzt zur Vorbereitung eines solchen Einsatzes
sind alle Lese‑ und Sprechtexte sowie die Transkriptionen und [11] Übersetzungen eines jeden Beitrags auch als
Textdatei auf der CD-ROM abgelegt[25], so dass auch am Ausdruck eine
Vorbereitung auf die Verwendung in der Lehre oder ein Nacharbeiten des
Gezeigten möglich ist. Neben den Multimedia-Beiträgen stellt die CD-ROM auch eine Anthologie
von 18 Aufsätzen als Textdateien zur Verfügung. Die Arbeiten sind zwischen
1988 und 2002 im Rahmen des SFB entstanden und in verschiedenen Sammelbänden
und Zeitschriften publiziert. Darüber hinaus wurde eine Gesamtbibliographie
der Arbeiten des SFB auf der CD-ROM verfügbar gemacht. Multimediabeiträge,
Aufsätze und Gesamtbibliographie ermöglichen so auch einen Überblick über die
in Münster zum Thema Schriftlichkeit insgesamt geleistete Forschung. Beide
Darstellungsweisen, die Multimedia-Beiträge und die Aufsatz-Anthologie, vermitteln
mit ihren je spezifischen Darstellungs‑ und Rezeptionsweisen Forschung
auf jeweils eigene Art. Wie Zeitung und Hörfunk sind sie weniger als
Konkurrenten, sondern eher als zwei sich einander sinnvoll ergänzende Medien
zu betrachten: Jedes hat seine spezifischen Stärken, die bei der Entfaltung
komplexer historischer Zusammenhänge mobilisiert werden können. Daher steht
zu hoffen, dass sich die multimediale Aufbereitung historischer Themen mehr
und mehr wie selbstverständlich neben der klassischen Aufsatz‑ und
Buchform etablieren wird. [12] Anhang 1: TopMultimedia-Beiträge
Bistumsgeschichte – Oliver Plessow Das klerikale Umfeld bot den Nährboden für die Ausbildung einer am Bischofsamt ausgerichteten, standardisierten Form von Geschichtsschreibung. Auf der Suche nach ihrem eigenen Blick auf die Vergangenheit griffen die Bürger der Domstädte später auf diese Geschichtsschreibung zurück; dazu mussten sie Wege finden, ihre eigenen Anliegen mit Gestalt und Aussage der älteren Texte in Einklang zu bringen. Buchgemeinschaf – Theo Klausmann Die spätmittelalterliche Frömmigkeitsbewegung der Devotio moderna ('zeitgemäße Frömmigkeit'), entstanden im letzten Viertel des 14. Jhs. im niederländischen Ijsselgebiet, ist vor allem eine Buchgemeinschaft. Die Leistungen der Konvente dieser Bewegung im Bereich der Buchproduktion sind ebenso bemerkenswert wie die Methodik, mit der sie sich den Bestand traditioneller geistlicher Literatur aneigneten und in neue, eigene Schriften umsetzten. Buchmalerei – Anja Grebe Dekorative und pragmatische Funktionen der mittelalterlichen Buchmalerei stehen in engem Zusammenhang. Buchmalerei dient nicht nur der Verzierung eines Codex, sondern ist zugleich Lektürehilfe. Diese These wird an verschiedenen, für bestimmte Textformen entwickelten Mustern der Seitengestaltung erläutert (Bibelillustration, Psalter/Stundenbuch, Enzyklopädien, Romanen etc.). Darüber hinaus wird gezeigt, wie die Künstler die gängigen Muster abwandelten und sie erweiterten – je nach Auftrag und Können. In einem interaktiven Teil erhält der Benutzer die Möglichkeit, selbst eine Seite aus vorgegebenen Elementen zeitgenössischer Musterbücher zu gestalten. Einblattdrucke – Bina Griese - Marcus Ostermann Mit der Erfindung des Buchdrucks begann der Siegeszug eines Mediums, mit dem auf kleinstem Raum Informationen schnell und kostengünstig verbreitet werden konnten: des Einblattdrucks. Die meist einseitig bedruckten, häufig auch bebilderten 'fliegenden Blätter' erweiterten durch ihre Mobilität, ihre Flexibilität und ihre pointierte Darstellungsweise das Spektrum der Kommunikationsmöglichkeiten erheblich; ihre thematische Vielfalt lässt zudem auf die große Beliebtheit des Mediums Einblattdruck in der Gesellschaft des späten Mittelalters schließen. Enzyklopädie – Christel Meier Enzyklopädien versuchen, in Buchform die Gesamtheit der wissbaren Dinge geordnet darzustellen. Enzyklopädische Kompendien des Mittelalters wurden für den Prediger, den Arzt oder den Herrscher, für das Kloster, die Universität oder die Schule entworfen; als Darstellungen des Universalwissens können sie sich aber auch der Zuordnung zu einem enger definierten Gebrauchsraum entziehen. Gebetbücher – Thomas Lentes Durch Gebetbücher wurde die Struktur der gesamten Frömmigkeit des späten Mittelalters verändert. Der individuelle Buchgebrauch führte zu einer Ausdifferenzierung [13] des Subjektiv-Privaten in der Frömmigkeit, das zunehmend in Konkurrenz zum Objektiv-Liturgischen trat und damit zentrale Momente der Reformation vorwegnahm. Letztlich waren Gebetbücher Technologien der Introspektion sowie des Austausches zwischen Diesseits und Jenseits. Notariatsurkunden – Petra Schulte Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erfolgte die Sicherung privater Rechtsgeschäfte in Ober- und Mittelitalien zunehmend durch notariell angefertigte Urkunden. Die Schriftstücke erlangten 'fides', was bedeutete, dass ihnen Vertrauen geschenkt und vor Gericht volle Beweiskraft zugesprochen wurde. Die Mittel zum Erhalt und zur Festigung der 'fides' unterlagen einem ständigen Wandlungsprozess. Rechnungsbücher –
Franz-Josef Arlinghaus Die Grundlagen der noch heute benutzten Buchführung wurden im 14. Jahrhundert entwickelt. Die Mittelalterforschung führt das Aufkommen neuer Buchhaltungstechniken häufig auf eine in jener Zeit entstehende rational-rechenhafte Mentalität zurück. Dagegen zeigt der Beitrag 'Rechnungsbücher' dass sich verfeinerte Methoden der Buchführung in einem eigendynamischen Prozess herausgebildet haben, der durch die strukturellen Vorgaben des Mediums 'Schrift' geprägt ist. Schulbücher – Michael Baldzuhn In der Schule, seit der Antike Heimat der Schriftkultur, wurden die Grundlagen für das Vordringen des Schriftgebrauchs in die mittelalterliche Gesellschaft geschaffen. Mit dem Ausbildungsbedarf stieg die Notwendigkeit einer effizienten Organisation des Unterrichts. Das hatte die Ausweitung des Schriftgebrauchs innerhalb der Schule selbst zur Folge: Die Gestalt des mittelalterlichen Schulbuchs wandelte sich. Stadtchroniken – Frank Schweppenstette Mitte des 12. Jahrhunderts schrieb in der oberitalienischen Seestadt Genua ein juridisch geschulter Laienautor die Geschichte seiner Stadt. Die Stadtregierung ließ diesen Text verlesen und aufbewahren. So verschaffte sich Genua eine offizielle Geschichtsschreibung, die eine städtische Gemeinschaft stiftete und den regierenden Kreisen Handlungsmaximen und Herrschaftswissen an die Hand gab. Weltchroniken – Gudrun Tscherpel Die Weltchronistik erzählt die Geschichte von der Schöpfung bis in die Gegenwart des Autors, der sein umfangreiches Material übersichtlich gliedern musste. Im 13. Jahrhundert kamen Chroniken in Mode, die sich an der Geschichte der Päpste und Kaiser orientierten. Um 1280 schrieb ein anonymer Franziskanermönch eine Papst-Kaiser-Chronik mit dem Titel 'Flores temporum', die in den nächsten beiden Jahrhunderten dank ihrer vielfältigen Einsetzbarkeit ein großer Erfolg wurde. [14] Anhang 2Aufsätze (im .pdf-Format abgelegt)
Top
Althoff,
Gerd: Causa scribendi und Darstellungsabsicht: Die Lebensbeschreibungen der
Königin Mathilde und andere Beispiele, in: Michael Borgolte / Herrad Spilling
(Hgg.), Litterae Medii Aevi.
Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1988,
S. 117-133. Angenendt, Arnold, Thomas Braucks, Rolf Busch, Thomas Lentes und Hubertus Lutterbach: Gezählte Frömmigkeit, in: Frühmittelalterliche Studien 29 (1995), S. 1-71. Arlinghaus,
Franz-Josef: Die Bedeutung des Mediums "Schrift" für
die unterschiedliche Entwicklung deuscher und italienischer Rechnungsbücher,
in: Walter Pohl / Paul Herold (Hgg.), Vom Nutzen des Schreibens (Forschungen
zur Geschichte des Mittelalters 5), Wien 2002, S. 237-268. Baldzuhn,
Michael: Schulunterricht und Verschriftlichungsprozess. Forschungsansätze und
Forschungsergebnisse, in: Christel Meier,
Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup (Hgg.),
Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des
Internationalen Kolloquiums des Sonderforschungsbereichs 231, 26. - 29. Mai
1999 (Münstersche Mittelalter-Schriften 80), München 2002, S. 161-175. Blattmann,
Marita: Über die 'Materialität' von Rechtstexten, in: Frühmittelalterliche
Studien 28 (1994), S. 333-354. Griese,
Sabine, Volker Honemann: Zauber – Segen – Katechese. Position und
Leistung der xylographischen Einblattdrucke in der Medienwelt des 15.
Jahrhunderts, in: Christel Meier,
Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup, (Hgg.),
Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des
Internationalen Kolloquiums des Sonderforschungsbereichs 231, 26. - 29. Mai
1999 (Münstersche Mittelalter-Schriften 80), München 2002, S. 233-249. Johanek,
Peter: Historiographie, Bild und Denkmal in der Geschichtsüberlieferung des
Mittelalters, in: Jaroslaw Wenta (Hg.), Die Geschichtsschreibung in
Mitteleuropa (Subsidia historiographica I), Torun 1999, S. 87-109. Johanek,
Peter: Anmerkungen zur Stadtgeschichtsschreibung (leicht gekürzte und
veränderte Fassung der „Einleitung“ zum Sammelband
"Städtische Geschichtsschreibung im Spätmittelalter und in der frühen
Neuzeit", hg. von Peter Johanek [Städteforschung A 47], Köln u.a. 2000,
S. VII-XIX). Keller,
Hagen: Vom ’heiligen Buch’ zur ’Buchführung’ -
Lebensfunktionen der Schrift im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien
26 (1992), S. 1-31. Meier,
Christel: Illustration und Textcorpus. Zu kommunikations- und
ordnungsfunktionalen Aspekten der Bilder in den mittelalterlichen
Enzyklopädiehandschriften, in: Frühmittelalterliche Studien 31 (1997), S.
2-31. Meier,
Christel: Bilder der Wissenschaft. Die Illustration des 'Speculum maius' von
Vinzenz von Beauvais im enzyklopädischen Kontext, in: Frühmittelalterliche
Studien 33 (1999), S. 252-286. Melville,
Gert: Zur Funktion der Schriftlichkeit im institutionellen Gefüge
mittelalterlicher Orden, in: Frühmittelalterliche Studien 25 (1991), S.
391-417. Müller, Jan-Dirk: Bild – Vers – Prosakommentar am Beispiel von Fechtbüchern. Probleme der Verschriftlichung einer schriftlosen Praxis, in: Hagen Keller Klaus Grubmüller und Nikolaus Staubach (Hgg.), Pragmatische Schriftlichkeit im Mittelalter. Erscheinungsformen und Entwicklungsstufen (Münstersche Mittelalter-Schriften 65), München 1992, S. 251-282. Müller-Oberhäuser,
Gabriele: Buchmarkt und Laienlektüre im englischen Frühdruck: William Caxton
und die Tradierung der mittelenglischen Courtesy Books, in: Thomas Kock und
Rita Schlusemann (Hgg.), Laienlektüre und Buchmarkt im späten Mittelalter
(Gesellschaft, Kultur und Schrift - Mediävistische Beiträge 5), Frankfurt/M.
1997, S. 61-107. Schmidt-Wiegand,
Ruth: Recht und Gesetz im Spannungsfeld zwischen Schriftlichkeit und
Mündlichkeit im Mittelalter, in: Frühmittelalterliche Studien 27 (1993), S.
147-166. Schulte, Petra: „Omnis homo sciat et
audiat“. Die Kontrolle kommunalen Handelns in Como im späten 12.
und 13. Jahrhundert, in: Mélanges de l’École française de Rome. Moyen
Âge 110 (1998), S. 501-547. Staubach, Nikolaus, Text als Prozeß. Zur Pragmatik des Schreibens und Lesens in der Devotio moderna, in: Christel Meier, Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup, (Hgg.), Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des Internationalen Kolloquiums des Sonderforschungsbereichs 231, 26. - 29. Mai 1999 (Münstersche Mittelalter-Schriften 80), München 2002, S. 251-276. Worstbrock, Franz Josef:
Die Anfänge der mittelalterlichen Ars dictandi, in: Frühmittelalterliche
Studien 23 (1989), S. 1-42. Gefördert durch ·
Deutsche Forschungsgemeinschaft ·
SNT Media Concept Münster/Roxel ·
Land Nordrhein-Westfalen ·
Westfälischen Wilhelms-Universität Münster |
[1] Eine grundlegende Skizze dieser Überlegungen bei Klaus Grubmüller, Konrad Kunze, Klaus Matzel, Peter Johanek, Kurt Ruh und Georg Steer, Spätmittelalterliche Prosaforschung. DFG-Forschergruppe – Programm am Seminar für deutsche Philologie der Universität Würzburg, in: Jahrbuch für Internationale Germanistik 5 (1973), S. 156-176. Siehe auch die Beiträge des einschlägigen Sammelbandes: Kurt Ruh (Hg.), Überlieferungsgeschichtliche Prosaforschung. Beiträge der Würzburger Forschergruppe zur Methode und Auswertung (Texte und Textgeschichte 19) Tübingen 1985.
[2] Grundlegend sind weiterhin die Aufsätze des Speculum-Bandes von 1990; vgl. die Einleitung von Stephen G. Nichols, Introduction: Philology in a Manuscript Culture, in: Speculum 65 (1990), S. 1-10, S. 1ff. Zur Einordnung des Ansatzes vgl. Ursula Schaefer, Von Schreibern, Philologen und anderen Schurken. Bemerkungen zur New Philology und New Medievalism in den USA, in: Das Mittelalter 5,1 (2000), S. 69-81, S. 72ff. Zur vor allem von Stackmann, Karl Stackmann, Neue Philologie?, in: Modernes Mittelalter. Neue Bilder einer populären Epoche, hg. von Joachim Heinzle, Frankfurt/M. - Leipzig 1994, S. 398-427, S. 398ff., geübten Kritik, insbesondere zur Positionierung des Autors, vgl Peter Strohschneider, Situationen des Textes. Okkasionelle Bemerkungen zur 'New Philology', in: Zeitschrift für deutsche Philologie 116 (1997), S. 62-86, S. 66ff.
[3] "Statt einer Literaturgeschichte der Autoren und Werke ist eine Geschichte der Produktionsbedingungen und Evolutionsstufen, der Funktionstypen und gesellschaftlichen Gebrauchsräume von Schriftlichkeit zu postulieren", so Nikolaus Staubach, Text als Prozeß. Zur Pragmatik des Schreibens und Lesens in der Devotio moderna, in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur. Akten des Internationalen Kolloquiums des Sonderforschungsbereichs 231, 26. - 29. Mai 1999, hg. von Christel Meier, Volker Honemann, Hagen Keller und Rudolf Suntrup, (Münstersche Mittelalter-Schriften 79) München 2002, S. 251-276, S. 254, im Anschluss an Hugo Kuhn und Joachim Bumke. Vgl. hierzu den Multimedia-Beitrag 'Buchgemeinschaften'.
[4] Strohschneider, Situationen des Textes (wie Anm. 2), S. 66.
[5]
Vgl. zuletzt: den Band 'Pragmatische
Dimensionen mittelalterlicher Schriftkultur' (wie Anm. 2), mit weiterführender
Literatur.
[6]
Deutlich wird dies etwa, um nur zwei
Beispiele zu nennen, beim hoch- und spätmittelalterlichen Gebrauch von 'Schulbüchern',
die zunächst fast ausschließlich vom Lehrenden, nicht aber von den Schülern
genutzt wurden. Die Glaubwürdigkeit italienischer Notariatsurkunden beruhte
nicht allein auf der Authentizität des Schriftstücks, sondern war in
spezifischer Weise an die Person des Notars und das Wissen einer
'Öffentlichkeit' zurückgebunden; vgl. dazu die Multimedia-Beiträge 'Schulbuch'
und 'Notariatsurkunden' sowie Michael Baldzuhn,
Schulunterricht und Verschriftlichungsprozess. Forschungsansätze und
Forschungsergebnisse, in: Pragmatische Dimensionen mittelalterlicher
Schriftkultur (wie Anm. 2), S. 161-175, S. 161ff., und Petra Schulte,
"Omnis homo sciat et
audiat". Die Kontrolle
kommunalen Handelns in Como im späten 12. und 13. Jahrhundert, in: Mélanges de
l’École française de Rome. Moyen Âge 110 (1998), S. 501-547; S. 501ff.
[7] Indem sie die mittelalterliche Entwicklung der Schriftkultur aufnehmen und den Weg zur neuzeitlichen Buchproduktion bereiten, sind Inkunabeln wie die Erfindung des Buchdrucks überhaupt im Zusammenhang der mittelalterlichen Manuskriptkultur zu begreifen. In diesem Sinne versteht sich die Rolle des Beitrags 'Einblattdrucke' auf dieser CD-ROM.
[8] Der Ansatz greift hier einen bereits 1972 von Paul Zumthor verwendeten Begriff auf; hierzu Schaefer, Von Schreibern, Philologen und anderen Schurken (wie Anm. 2), S. 72f.
[9]
In fast jedem Multimedia-Beitrag
werden solche Bewegungen visualisiert; besonders ausführlich: 'Rechnungsbücher'
→ Form; 'Bistumschroniken' → Form → Kapitel "Die Vita,
Grundelemente der Bistumsgeschichte; 'Enzyklopädien' → Technik →
Kapitel: "Veränderung des Randnotenapparates"; 'Weltchroniken' →
Form → "Textbausteine und ihre Anordnungsmöglichkeiten", und
weitere.
[10] Vgl. Schaefer, Von Schreibern, Philologen und anderen Schurken (wie Anm. 2), S. 77.
[11] Hier fließen verschiedene Aspekte der modernen Auffassung von Fotografie zusammen, auf die an dieser Stelle nicht im Einzelnen eingegangen werden kann. Einige Hinweise: In der westlichen Kultur wird dem Foto weiterhin Authentizität und Festigkeit zugeschrieben, was nicht zuletzt daran deutlich wird, dass große Presseagenturen selbst kleinere Retuschen, die bei Digitalaufnahmen leicht durchzuführen sind, als Fälschungen einstufen. Auf der CD-ROM tritt das 'authentische' Foto einer Manuskriptseite als solches gerade in den Bereichen, wo mit der Schrift 'gearbeitet' wird, nicht mehr in Erscheinung, denn in der Animation mit der visualisierten Veränderung verliert das Gezeigte seinen Foto-Status.
[12] Bekanntlich verändert jeder in MS-Word geschriebene Text in Abhängigkeit vom angeschlossenen Drucker sein Aussehen. Auch die Beiträge auf der vorliegenden CD-ROM, optimiert für eine Bildschirmauflösung von 800*600 dpi, treten je nach Bildschirmeinstellung unterschiedlich in Erscheinung. Computer gelten deshalb als "nicht-triviale Maschinen", weil sie "auf den gleichen Input nicht regelmäßig den gleichen Output erzeugen"; Elena Esposito, Soziales Vergessen. Formen und Medien des Gedächtnisses der Gesellschaft. Mit einem Nachwort von Jan Assmann, Frankfurt/M. 2002, S. 293ff., Zitat S. 294. Daher ist es nicht verwunderlich, dass im Kontext der neuen Medien die Eindeutigkeit der Unterscheidung zwischen 'authentisch' und 'fiktiv' ins Wanken gerät; Siegfried J. Schmidt, Konstruktivismus als Medientheorie, in: Medientheorie und die digitalen Medien, hg. von Winfried Nöth und Karin Wenz, (Intervalle 2) Kassel 1998, S. 21‑46, S. 38.
[13] Von dieser Basis aus kann dann auch die Funktionalität des zweiten, mindestens ebenso wichtigen Charakteristikums der Manuskriptkultur aufgezeigt werden, die zu beobachtende Vorgeprägtheit und Festigkeit von Darstellungsmustern, Themen und Topoi sowie die Wiederholungsstruktur mittelalterlicher Texte aufgezeigt werden. So die Argumentation bei Strohschneider, Situationen des Textes (wie Anm. 2), S. 78f. Vgl. Ludger Lieb, Eine Poetik der Wiederholung. Regeln und Funktion der Minnerede, in: Text und Kultur. Mittelalterliche Literatur 1150-1450, hg. von Ursula Peters, Stuttgart - Weimar 2001, S. 506-528, S. 518ff.
[14] Karin Wenz setzt sich kritisch mit der These vom 'wreader' auseinander, dem sich am Bildschirm vermeintlich selbst den Text zusammenstellenden Leser, der so zum Autor würde. Aber auch Wenz bestätigt, dass Links häufig schon angeklickt werden, bevor noch der Text auf dem Screen zu Ende gelesen ist; Karin Wenz, Vom Leser zum User? Hypertextmuster und ihr Einfluß auf das Leseverhalten, in: Sprache und Datenverarbeitung. International Journal for Language Data Processing 24 (2000), S. 25-34, S. 25ff. Bereits die Rezeptionsästhetik der 1960er und 70er Jahre hat darauf aufmerksam gemacht, dass sich jeder Text letztendlich erst im 'Akt des Lesens' – so der Titel des Klassikers von Wolfgang Iser – konstituiert, also, wenn man so will, durch den Rezipienten 'hergestellt’ wird. Es verändert sich also nicht der Rezeptionsakt selbst, sondern die Grundlage der Rezeption, wenn angebotene Links genutzt und so nicht mehr vornehmlich jeweils ein linear gelesener Text Basis des Leseaktes ist.
[15] In der Diskussion um Hypertext-Strukturen werden immer wieder Forderungen dieser Art gestellt; vgl. Herbert A. Meyer, Von Punkt zu Punkt: Skizzen zu einer Theorie der interaktiven Medien, in: Medientheorie und die digitalen Medien (wie Anm. 12), S. 177-193, S. 187ff., sowie die Beiträge in dem Band Eva Maria Jakobs, Dagmar Knorr und Karl-Heinz Pogner (Hgg.), Textproduktion. HyperText, Text, KonText, (Textproduktion und Medium 5) Frankfurt/M. 1999. (jeweils mit Literatur).
[16] Zu den Vorteilen einer sich mehrerer 'Kanäle' bedienenden Wissensvermittlung vgl. Frederic Vester, Denken, Lernen, Vergessen. Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann läßt es uns im Stich?, 27. Aufl., München 2000, S. 51.
[17] Man sollte sich nicht täuschen lassen: Die Inszenierung als solche ist keine Eigenheit der neuen Medien. Auch im Vortrag und in jedem Aufsatz oder Buch müssen und werden Thesen in Szene gesetzt, nur dass diese Inszenierungen weitgehend auf sprachliche Mittel reduziert bleiben.
[18] In unterschiedlicher Weise arbeitet jeder Beitrag an ein oder mehreren Stellen so mit den Texten; vgl. 'Bistumsgeschichten' → Form (dort an mehreren Stellen), 'Stadtchroniken' → Technik, Kapitel: "Chroniktext und Urkundenbuch"; 'Enzyklopädien' → Technik, Kapitel "Veränderungen des Randnotenapparats"; 'Einblattdrucke' → Rezeption, Kapitel: "Hieronymus Streitels pragmatische Verfahrensweisen"; 'Rechnungsbücher' → Form; 'Weltchroniken' → Form; Schulbücher → Form, und weitere.
[19] Neben vielen anderen: 'Gebetbücher' → Form; 'Schulbücher' → Form; 'Enzyklopädien' → Rezeption, Kapitel: "Original und Bearbeitung", und weitere.
[20] Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch der generelle Verzicht auf einen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat. Gleichwohl ist natürlich darauf hinzuweisen, dass keiner der Beiträge vor einer wissenschaftlichen 'tabula rasa' stand und dem jeweiligen Forschungsstand intensiv Rechnung getragen wurde.
[21] S. oben bei Anm. 14.
[22] Vgl. 'Bistumsgeschichten' → Rezeption, Kapitel "Stadt und Bistum im Konflikt"; 'Notariatsurkunden' → Produktion, Kapitel "Die 'publicationes'", und öfter.
[23] 'Weltchroniken'→ Rezeption, Kapitel "Das Publikum einer Papst – Kaiser-Chronik, 'Bistumsgeschichten' → Produktion, Kapitel "Eine norddeutsche Chroniklandschaft".
[24] 'Stadtchroniken' → Technik, Kapitel "Chroniktext und Urkundenbuch"; 'Rechnungsbücher' → Technik, Kapitel "Kulturspezifische Prägung der Technik des Schreibens".
[25] Menüpunkt 'Auswahl → Beitrag als Text'.